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Ausflug im Herbst nach Rüdesheim am Rhein

Familienausflug ins Rheintal nach Rüdesheim am Rhein

Eigentlich sollte es in den Herbstferien nach Südtirol zum Törggelen gehen – diesen Plan mussten wir jedoch verabschieden. Jeder kennt dieses arbeitgeber- und schulfreundliche Phänomen. Es gibt sogar einen Begriff dafür, habe ich kürzlich gelesen – „leisure sickness“. Der Körper hat in Stressituationen schlichtweg keine Zeit, krank zu werden. Evolutionstechnisch macht das natürlich Sinn. Dass wir heutzutage meist nicht in lebensbedrohliche Situationen geraten, wenn wir im Job mal für ein paarTage aussetzen, hat er einfach noch nicht gelernt. Dieses Jahr traf es uns. Pünktlich zu Ferienbeginn bekommt ein Familienmitglied nach dem nächsten Fieber, Halsweh, Husten usw. Als langsam alle wieder annähernd gesund sind, kommt die Häuptlingstochter humpelnd vom Fußball. Zerrung! Ausgedehnte Bergwanderungen nicht möglich. Ein Familienbesuch aus dem Norden verhilft uns dann doch aus dem Haus und wir entschließen uns zu einem Touri-Tag in Rüdesheim im benachbarten Mittelrheintal.

Das Obere Mittelrheintal – UNESCO Welterbe

Rüdesheim liegt auf der Sonnenseite des Rheins im hessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Der Tourismus vermarktet den südlichen Teil des Mittelrheins von Bingen und Rüdesheim bis Koblenz als „Tal der Loreley“. Seit dem 19. Jahrhundert ist es Inbegriff der Rheinromantik, die auch Heinrich Heine gepackt haben muss. Er dichtet 1824 von der Loreley als eine Art Nixe, die die Rheinschiffer durch ihren Gesang in ihren Bann zieht, sodass diese durch die gefährliche Strömung und Felsenriffe ums Leben kommen. Als Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal wurde der malerische Flussabschnitt 2002 zum UNESCO Welterbe erklärt.

Oberes Mittelrheintal UNESCO Welterbe

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19.Jahrhundert ist der Rhein ein absolutes „Muss“ und entwickelt sich zur touristischen Adresse ersten Ranges. Neben der Schweiz und Italien musste man hier unbedingt gewesen sein, wenn man etwas auf sich hielt. Es wurde gemalt, darüber gedichtet und davon gesungen. Und tatsächlich ist sogar schon der Weg nach Rüdesheim sehr sehenswert. Wir fahren direkt am Rhein entlang und sind von Weinanbau umgeben. Für unsere Hamburger Gäste, die flaches Land gewöhnt sind, ist hier bereits Hochgebirge. Wer die Anreise noch interessanter gestalten möchten, nimmt ab Bingen am Rhein die Autofähre nach Rüdesheim. Das ist für kleinere Kinder ein Abenteuer und auch die Großen freuen sich über den besonders schönen Blick auf Rüdesheim, die umgebenden Weinhänge und den Niederwald.

Rentner – Malle?

Dem trüben Wetter zum Trotz schlendern wir durch das rheinhessische Städtchen an zahlreichen Fachwerkhäusern vorbei. Zum Glück ist unser Besuch Regen gewöhnt. Bei Sonnenschein schieben sich weit mehr Touristen durch die enge Drosselgasse. Jährlich bis zu 3 Millionen Besucher. Das sind sogar ein wenig mehr, als der Berliner Reichstag verzeichnen kann. Rüdesheim steht laut dem Deutschen Tourismus Verband (DTV) gleich nach dem Kölner Dom auf Platz 2 der deutschen Sehenswürdigkeiten. Restaurants werben mit mehrsprachigen Schildern für Schweinshaxe und Rheinhessischen Sauerbraten. An jeder Ecke gibt es Probierschlückchen Federweißen, „young wine“, für einen Euro mitzunehmen und von den mit Wein überwachsenen Restaurantterrassen schallt schräg Schlagermusik. Nicht umsonst ist Rüdesheim auch als Rentner-Malle bekannt. Touristenshops reihen sich aneinander und verkaufen alle dieselben Häkeldecken und Tischsets, Schnaps- und Biergläser mit Deutschlandflagge und Reichsadler, Kuckucksuhr-Magneten und gehäkelte Topflappen. Wir finden etwas seltsam, was den vielen, zumeist asiatischen und amerikanischen Besuchern daheim als Erinnerung von Deutschland bleibt.

Seilbahn Rüdesheim zum Niederwalddenkmal

Ein altes Bild von der Gondel zum Niederwalddenkmal. Beim letzten Besuch konnte ich in der Gondel aufgrund des Regens, der uns dort erwischte, meine Kamera nicht viel benutzen.

Im Zentrum startet die Seilbahn zum Niederwalddenkmal. Die Berg- und Talfahrt kostet 8€ für Erwachsene. Kinder ab 5 Jahren zahlen 4€. Die offenen Gondeln schaukeln gemütlich über die Weinberge und man genießt eine tolle Aussicht über den Rhein. Zwei japanische alte Damen sind gut ausgestattet. Sie sitzen in der Gondel vor uns und prosten sich mit einem Gläschen Sekt zu. Oben angekommen scheint der Kitsch von unten fern. Ein moderner, schwarzer Restaurant-Kubus mit großer Sonnenterrasse bietet deutsche und italienische Küche. Die Einrichtung ist modern. Ein bißchen Almhüttenflair mit Betonboden-Industrieschick. Große Lampenschirme sind mit Landschaften des Mittelheintals bedruckt. Was in der modernen Gastronomie Österreichs oder der Schweiz funktioniert, geht auch in Rheinhessen.

Angeschlossen ist eine Almhütte, die von großen Gruppen bis zu 95 Personen gemietet werden kann. Wir lassen uns Capuccino schmecken während die Kinder mit Pommes und Malsachen glücklich sind. Für den Minimenschen gibt es ein Stück frisches Brot und etwas Babyspielzeug.

 

 

Hier ein älteres Bild vom Denkmal. Denkmal unverändert. Der kleine Barfußkrabbler ist inzwischen 5 Jahre alt.

Das Niederwalddenkmal ragt imposante 38,18m in die Höhe. Zuoberst steht die siegreiche Germania, auf deren Sockel die Hauptinschrift des Denkmals steht:

ZUM ANDENKEN AN DIE EINMUETHIGE SIEGREICHE ERHEBUNG DES DEUTSCHEN VOLKES UND AN DIE WIEDERAUFRICHTUNG DES DEUTSCHEN REICHES 1870 – 1871

Zwölf Jahre hat es bis zu seiner Einweihung 1883 gedauert. Es soll an den Deutsch-Französischen Krieg und die Einigung des Reichs 1871 erinnern. Hier oben kann man ein wenig durch den Wald spazieren und anschließend entweder mit der Seilbahn wieder hinabfahren oder aber einen der schönen Wanderwege durch die Weinberge zurück nehmen.

Wer etwas mehr Zeit mitbringt oder gar ein paar Tage Urlaub hier plant, kann sich in Rüdesheim u.a. in einem mittelalterlichen Foltermuseum gruseln oder als Häftling in einem Gefängniskeller speisen. Auch gibt es in der Region zahlreiche Burgen und Schlösser zu besuchen und irgendwann einmal schaffen wir es bestimmt auch, eine Etappe des zwischen Koblenz und Wiesbaden verlaufenden Rheinsteigs zu bewandern.

Tourist at home

In der Region gibt es viele junge Winzer und Gastronomen, die Traditionelles für sich neu interpretieren. Das eigene Land zählt für die Deutschen zu den beliebtesten Reisezielen. Im Rhein-Main-Gebiet gibt es einen lebendigen Tourismus. Sicher liegt es an den städtischen Ballungsgebieten und den vielen Arbeitsmöglichkeiten rundherum, dass junge Menschen hier bleiben möchten und ihre Region mit gestalten wollen.

Zuhause schauen wir, was die sozialen Medien so über unser Nah-Reiseziel zu sagen haben. Auf Instagram finden wir einen jungen Mann aus Japan, der ein Selfie aus der Seilbahn mit bedeutungsschwerem Blick in die Ferne postet. Hashtag: #neverstopexloring

Die Rhein-Romantik scheint noch nicht am Ende. 😉