Kategorie: Deutschland

Füssen – mit Kindern im Allgäu

Mit Kindern im Allgäu

Das Haus eine Baustelle, kein Auto und kaum noch Urlaubstage. Nicht gerade eine gute Ausgangssituation für einen Familienurlaub. Wir steckten gerade in der mühevollen Sanierung unseres fast 100 Jahre alten Hauses, das wir damals gerade erst frisch gekauft hatten. Urlaub war für diesen Sommer nicht geplant und doch hatten wir ihn bitter nötig. Unseren sportlichen Kleinwagen hatten wir gerade verkauft, um ihn gegen einen größeren und praktischeren Familienwagen einzutauschen. Wir setzten uns eine Deadline. Wenn wir innerhalb einer Woche ein Auto finden würden, könnten wir es noch schaffen, der Baustelle ein paar Tage zu entkommen. Tatsächlich holten wir zwei Tage später unseren großen Kombi ab. Es blieben noch 6 Tage Resturlaub.

Urlaub in Deutschland – ein bißchen spießig, oder?

Wenigstens meinte es der Sommer besonders gut mit uns und es musste daher dringend ans Wasser gehen. Wie praktisch, dass gleich mehrere der schönsten Seen Deutschlands nur vier Autostunden von uns entfernt, in der Gegend um Füssen liegen sollten. Ehrlich gesagt, war ich trotzdem etwas enttäuscht, nicht einmal ins Ausland zu reisen. Nicht Frankreich, nicht Italien, nicht die Niederlande, nicht einmal Österreich oder die Schweiz. Urlaub in Deutschland…ins Allgäu…das klang für mich verdammt spießig nach Seniorenprogramm. Aber das Unerwartete lässt sich nicht planen. Zum Glück.

Bauernhöfe und Gästehäuser im Allgäu

Auf den bekannten Buchungsportalen sah es nicht gut aus, was Familienunterkünfte anbelangte. Ein Anruf bei der örtlichen Touristeninformation half uns weiter. Das Gästehaus Geiger hatte ein Zimmer für uns und wir fuhren noch am selben Tag.

Tipp: Örtliche Touristeninformationen haben oft aktuelle Informationen zu freien Zimmern, die im Internet gar nicht aufgeführt sind.

Unsere Unterkunft lag idyllisch zwischen Füssen und Hopfen am See mit Blick auf die Voralpen.

Gästehaus Geiger

Frau Geiger und ihre Familie empfingen uns herzlich. Unsere Kinder waren begeistert. Ungeplant hatten wir Ferien auf dem Bauernhof gebucht. Wenn das der Papa vorher gewusst hätte ;)… Familie Geiger hat eigene Milchkühe und hinter dem großen Garten mit Fußballtor und Rutsche sprangen kleine Ziegen herum. Frau Geiger versorgte uns jeden Morgen mit frischen Brötchen, leckerem Kaffee und warmen Kakao mit der Milch der eigenen Kühe. Im Allgäu gibt es unzählige kleine Pensionen und Bauernhöfe, die sich Zeit für ihre Gäste nehmen und die besten Tipps für die Umgebung parart haben.

Volles Programm

Die Programmhefte der Region rund um Füssen bieten eine Menge verschiedener Familienaktivitäten. Geführte Wanderungen für Naturentdecker, spazieren in den Baumwipfeln im Baumkronenweg beim Walderlebniszentrum  Ziegelwies, ein Ausflug zur Imkerei, eine Schifffahrt auf dem Forggensee, ein Besuch in der Kristalltherme in Schwangau oder der Alpentherme Ehrenberg im nahegelegenen österreichischen Reutte, eine Fahrt mit der Sommerrodelbahn usw. Die Liste ist schier endlos. Die Besichtigung des Schloss Neuschwanstein sollte man auf jeden Fall erlebt haben, um sich einmal so richtig als Tourist in Deutschland zu fühlen. Es diente Walt Disney als Vorlage und ist so wahrgewordene Kindheitserinnerung zahlreicher Amerikaner. Die meisten Besucher kommen jedoch aus China. Das Schloss Neuschwanstein gehört wie der Eiffelturm zu den Bildern, die symbolhaft für Europa stehen. So drängen sich in der Hochsaison bis zu 7000 Besucher täglich durch die Gänge. Uns hat es genügt, die Schlösser Neuschwanstein und das benachbarte Hohenschwangau von Außen zu bewundern.

Mehr See(he)n

In einem Umkreis von max.8 km von Füssen befinden sich Forggensee, Hopfensee, Alatsee, Weißensee, Alpsee, Schwansee, Bannwaldsee, Mittersee, Obersee und Faulensee

Sehenswert und auf dem Weg ist auch der Lechfall, von Füssen kommend auf der B 17 Richtung, etwa 700 Meter vor der österreichischen Grenze. Eindrucksvoll stürzen sich hier die Wassermassen über 5 Stufen in die Tiefe.

Die Lechschlucht gab der Stadt Füssen ihren Namen. Lateinisch ‚fauces’=Schlund
Der Forggensee ist der flächenmäßig größte Stausee Deutschlands. Er dient zum einen der Stromerzeugung, zum anderen aber auch der Hochwasserregulierung am Lech während der Schneeschmelze. Auch wenn der Forggensee, wie er sich jetzt darstellt, kein natürlicher See ist, so liegt er doch in einem Becken, das nach der letzten Eiszeit von einem noch größeren See ausgefüllt war. Heute wird er ab Oktober trockengelegt und bis auf ein paar Pfützen ist nichts von ihm übrig. Im Winter kann man dafür zweimal wöchtentlich eine Wanderung auf dem Grund des Sees unternehmen.

Der Forggensee ist zu einem unserer Lieblingsseen in Deutschland geworden. Im Abendlicht liegt er silbrig glänzend da – wie hier an der Badestelle am Café Maria. Rund um den See ist kaum Bebauung erlaubt. Kälteempfindliche können ihr Badeglück im Hopfensee, einer der wärmsten Voralpenseen, finden. Hier kann man auch Tretbot fahren, SUP und Windsurfen üben, in lustigen Familiengefährten um den See touren oder auch gemütlich mit Seeblick Essen oder Kaffee trinken gehen. Wer mag, kann an jedem Urlaubstag in einem anderen See schwimmen.

Also doch nicht alles Käse…

Wir wollten in kürzester Zeit möglichst viele regionstypische Dinge sehen und erleben und steuern deshalb die Sennerei Lehern an, um zu schauen, wie der Allgäuer Bergkäse und der Allgäuer Emmentaler gemacht werden. Die Führung dauert eine gute Stunde, zeigt alle Stationen der Käseherstellung und endet in einer kleinen Verkostung im angeschlossenen Hofladen. Was für ein Jammer, dass ich gerade schwanger war und keinen Rohmlichkäse essen durfte.

Bachwanderweg – keine Langeweile für Kinder

Wunderschön war es, den Bachweg hoch zum Buchenberg zu wandern. Der Weg beginnt am Parklatz neben dem Sessellift Buching, führt zunächst über ein Stück Wiese und führt dann einen Waldweg entlang eines Baches hoch zum Gipfelkreuz. Unterwegs gibt es jedoch auch Lichtungen, von denen aus man die Aussicht genießen kann. Von hier aus sahen wir auch Wanderer, die auf breiteren, asphaltierten Wegen gingen. Dort wäre man auch problemlos mit Kinderwagen hochgekommen. Aber unsere beiden Mädchen wollten natürlich selber laufen. Unsere Wandererfahrung mit Kindern: Je kraxeliger der Weg, desto spannender wird es für die Kids. Gehen wir daheim nur 1km zu Fuß zum nächsten Supermarkt oder machen einen Spaziergang durch den Park, wird sich beschwert und gefragt, wann man denn endlich da ist. Der Bachwanderweg besteht fast ausschließlich aus schmalen Waldwegen. Die Baumwurzeln bilden natürliche Treppen und zwischendurch kann man sich im Bach erfrischen.

Oben angekommen wird man mit einer fabelhaften Aussicht belohnt. Bei gutem Wetter ist hier ein beliebter Startpunkt für Paraglider.

Die besten Dinge findet man, wenn man sie nicht sucht

Füssen ist für uns zu einem festen Zwischenstopp auf jeder Reise Richtung Süden geworden. Wir bummeln durch die hübsche, mittelalterliche Altstadt, kaufen uns etwas zu Essen und setzen uns anschließend zum Picknick an den Forggensee.

 

 

 

 

Ausflug im Herbst nach Rüdesheim am Rhein

Familienausflug ins Rheintal nach Rüdesheim am Rhein

Eigentlich sollte es in den Herbstferien nach Südtirol zum Törggelen gehen – diesen Plan mussten wir jedoch verabschieden. Jeder kennt dieses arbeitgeber- und schulfreundliche Phänomen. Es gibt sogar einen Begriff dafür, habe ich kürzlich gelesen – „leisure sickness“. Der Körper hat in Stressituationen schlichtweg keine Zeit, krank zu werden. Evolutionstechnisch macht das natürlich Sinn. Dass wir heutzutage meist nicht in lebensbedrohliche Situationen geraten, wenn wir im Job mal für ein paarTage aussetzen, hat er einfach noch nicht gelernt. Dieses Jahr traf es uns. Pünktlich zu Ferienbeginn bekommt ein Familienmitglied nach dem nächsten Fieber, Halsweh, Husten usw. Als langsam alle wieder annähernd gesund sind, kommt die Häuptlingstochter humpelnd vom Fußball. Zerrung! Ausgedehnte Bergwanderungen nicht möglich. Ein Familienbesuch aus dem Norden verhilft uns dann doch aus dem Haus und wir entschließen uns zu einem Touri-Tag in Rüdesheim im benachbarten Mittelrheintal.

Das Obere Mittelrheintal – UNESCO Welterbe

Rüdesheim liegt auf der Sonnenseite des Rheins im hessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Der Tourismus vermarktet den südlichen Teil des Mittelrheins von Bingen und Rüdesheim bis Koblenz als „Tal der Loreley“. Seit dem 19. Jahrhundert ist es Inbegriff der Rheinromantik, die auch Heinrich Heine gepackt haben muss. Er dichtet 1824 von der Loreley als eine Art Nixe, die die Rheinschiffer durch ihren Gesang in ihren Bann zieht, sodass diese durch die gefährliche Strömung und Felsenriffe ums Leben kommen. Als Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal wurde der malerische Flussabschnitt 2002 zum UNESCO Welterbe erklärt.

Oberes Mittelrheintal UNESCO Welterbe

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19.Jahrhundert ist der Rhein ein absolutes „Muss“ und entwickelt sich zur touristischen Adresse ersten Ranges. Neben der Schweiz und Italien musste man hier unbedingt gewesen sein, wenn man etwas auf sich hielt. Es wurde gemalt, darüber gedichtet und davon gesungen. Und tatsächlich ist sogar schon der Weg nach Rüdesheim sehr sehenswert. Wir fahren direkt am Rhein entlang und sind von Weinanbau umgeben. Für unsere Hamburger Gäste, die flaches Land gewöhnt sind, ist hier bereits Hochgebirge. Wer die Anreise noch interessanter gestalten möchten, nimmt ab Bingen am Rhein die Autofähre nach Rüdesheim. Das ist für kleinere Kinder ein Abenteuer und auch die Großen freuen sich über den besonders schönen Blick auf Rüdesheim, die umgebenden Weinhänge und den Niederwald.

Rentner – Malle?

Dem trüben Wetter zum Trotz schlendern wir durch das rheinhessische Städtchen an zahlreichen Fachwerkhäusern vorbei. Zum Glück ist unser Besuch Regen gewöhnt. Bei Sonnenschein schieben sich weit mehr Touristen durch die enge Drosselgasse. Jährlich bis zu 3 Millionen Besucher. Das sind sogar ein wenig mehr, als der Berliner Reichstag verzeichnen kann. Rüdesheim steht laut dem Deutschen Tourismus Verband (DTV) gleich nach dem Kölner Dom auf Platz 2 der deutschen Sehenswürdigkeiten. Restaurants werben mit mehrsprachigen Schildern für Schweinshaxe und Rheinhessischen Sauerbraten. An jeder Ecke gibt es Probierschlückchen Federweißen, „young wine“, für einen Euro mitzunehmen und von den mit Wein überwachsenen Restaurantterrassen schallt schräg Schlagermusik. Nicht umsonst ist Rüdesheim auch als Rentner-Malle bekannt. Touristenshops reihen sich aneinander und verkaufen alle dieselben Häkeldecken und Tischsets, Schnaps- und Biergläser mit Deutschlandflagge und Reichsadler, Kuckucksuhr-Magneten und gehäkelte Topflappen. Wir finden etwas seltsam, was den vielen, zumeist asiatischen und amerikanischen Besuchern daheim als Erinnerung von Deutschland bleibt.

Seilbahn Rüdesheim zum Niederwalddenkmal

Ein altes Bild von der Gondel zum Niederwalddenkmal. Beim letzten Besuch konnte ich in der Gondel aufgrund des Regens, der uns dort erwischte, meine Kamera nicht viel benutzen.

Im Zentrum startet die Seilbahn zum Niederwalddenkmal. Die Berg- und Talfahrt kostet 8€ für Erwachsene. Kinder ab 5 Jahren zahlen 4€. Die offenen Gondeln schaukeln gemütlich über die Weinberge und man genießt eine tolle Aussicht über den Rhein. Zwei japanische alte Damen sind gut ausgestattet. Sie sitzen in der Gondel vor uns und prosten sich mit einem Gläschen Sekt zu. Oben angekommen scheint der Kitsch von unten fern. Ein moderner, schwarzer Restaurant-Kubus mit großer Sonnenterrasse bietet deutsche und italienische Küche. Die Einrichtung ist modern. Ein bißchen Almhüttenflair mit Betonboden-Industrieschick. Große Lampenschirme sind mit Landschaften des Mittelheintals bedruckt. Was in der modernen Gastronomie Österreichs oder der Schweiz funktioniert, geht auch in Rheinhessen.

Angeschlossen ist eine Almhütte, die von großen Gruppen bis zu 95 Personen gemietet werden kann. Wir lassen uns Capuccino schmecken während die Kinder mit Pommes und Malsachen glücklich sind. Für den Minimenschen gibt es ein Stück frisches Brot und etwas Babyspielzeug.

 

 

Hier ein älteres Bild vom Denkmal. Denkmal unverändert. Der kleine Barfußkrabbler ist inzwischen 5 Jahre alt.

Das Niederwalddenkmal ragt imposante 38,18m in die Höhe. Zuoberst steht die siegreiche Germania, auf deren Sockel die Hauptinschrift des Denkmals steht:

ZUM ANDENKEN AN DIE EINMUETHIGE SIEGREICHE ERHEBUNG DES DEUTSCHEN VOLKES UND AN DIE WIEDERAUFRICHTUNG DES DEUTSCHEN REICHES 1870 – 1871

Zwölf Jahre hat es bis zu seiner Einweihung 1883 gedauert. Es soll an den Deutsch-Französischen Krieg und die Einigung des Reichs 1871 erinnern. Hier oben kann man ein wenig durch den Wald spazieren und anschließend entweder mit der Seilbahn wieder hinabfahren oder aber einen der schönen Wanderwege durch die Weinberge zurück nehmen.

Wer etwas mehr Zeit mitbringt oder gar ein paar Tage Urlaub hier plant, kann sich in Rüdesheim u.a. in einem mittelalterlichen Foltermuseum gruseln oder als Häftling in einem Gefängniskeller speisen. Auch gibt es in der Region zahlreiche Burgen und Schlösser zu besuchen und irgendwann einmal schaffen wir es bestimmt auch, eine Etappe des zwischen Koblenz und Wiesbaden verlaufenden Rheinsteigs zu bewandern.

Tourist at home

In der Region gibt es viele junge Winzer und Gastronomen, die Traditionelles für sich neu interpretieren. Das eigene Land zählt für die Deutschen zu den beliebtesten Reisezielen. Im Rhein-Main-Gebiet gibt es einen lebendigen Tourismus. Sicher liegt es an den städtischen Ballungsgebieten und den vielen Arbeitsmöglichkeiten rundherum, dass junge Menschen hier bleiben möchten und ihre Region mit gestalten wollen.

Zuhause schauen wir, was die sozialen Medien so über unser Nah-Reiseziel zu sagen haben. Auf Instagram finden wir einen jungen Mann aus Japan, der ein Selfie aus der Seilbahn mit bedeutungsschwerem Blick in die Ferne postet. Hashtag: #neverstopexloring

Die Rhein-Romantik scheint noch nicht am Ende. 😉